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[ 1 ] EIN BLICK IN UNSER DEPOT von Marianne Wenzel
Die Ausstellungsräume im Schloss sind schon viele Monate für Besucher geschlossen. Die Schließzeit wird für Aufgaben genutzt, für die oft zu wenig Zeit bleibt.
Museen haben viele Aufgaben: Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln. Die Betreuung von Besucherinnen und Besuchern sowie Vermittlung machen einen großen Teil der Museumsarbeit aus. Andere wichtige Aufgaben finden jedoch in den Büros und Depots statt. Die Zeit der Schließung wird im Lübbener Museum für umfassende Sammlungspflege und Objekterfassung genutzt. Das Museum besitzt mehrere Sammlungen mit insgesamt über 20.000 Objekten, Tendenz steigend. Von Gemälden über historische Landkarten bis zum Reisepass oder einem Fußballprogramm von Dynamo Lübben: Die Inventarisierung eines Objekts ist aufwändig.Sammeln und Inventarisieren
In der Regel beginnt die Inventarisierung mit einem Gespräch mit der Schenkerin oder dem Verkäufer. Es wird gefragt, was es mit dem angebotenen Stück auf sich hat, wer die Vorbesitzer waren und ob es in das Sammlungskonzept das Hauses passt. Es wird ein Übergabebeleg angefertigt und dann beginnt die umfangreiche Arbeit: Das Objekt wird händisch in die seit den späten 1990er Jahren geführten Inventarbücher aufgenommen. Wichtig ist hierbei die Vergabe der Inventarnummer, die auch auf das neue Exponat aufgebracht wird. Zeitintensiver ist die Aufnahme in die Museumsdatenbank. Das Objekt wird fotografiert und vermessen, beschrieben und manchmal sogar gewogen. Um die Objekte für die spätere Arbeit nutzbar zu machen, wird manches Mal direkt recherchiert. Bei einem Gemälde werden Nutzungsrechte mit den Nachfahren geklärt oder die Frage, wann sich die Künstlerin in Lübben und dem Spreewald aufgehalten hat. Bei einer Erkennungsmarke der Wehrmacht werden beispielsweise Militärhistoriker befragt, welche Geschichte sich hinter der Nummer und der Fundsituation verbergen könnte. Anschließend wird das Objekt sachgerecht verpackt und in eines der Depots verbracht. Da das Museum Räumlichkeiten im Schloss und im Rathaus nutzt, ist wird auch der exakte Standort hinterlegt.Die aufwändige Arbeit ist für den Großteil der Objekte bisher nur in Ansätzen erfolgt, denn Zeit war und ist im Museum meist knapp. Veranstaltungen und Ausstellungen wird häufig Vorrang eingeräumt. Oft fehlen Fotografien und genaue Beschreibungen der vielen Objekte. Doch in der Datenbank muss jedes Stück möglichst genau beschrieben sein. Durchsucht man die Datensätze, um eine neue Ausstellung zu planen oder Anfragen von Wissenschaftlern zu beantworten, helfen Schlagworte wie „Badeanstalt“, „Lübbener Jäger“ oder „FDGB-Ausweis“.
Und sonst?
Aktuell wird die Fachbibliothek des Museums in die Datenbank aufgenommen, um Literaturrecherchen zu vereinfachen. Standorte werden kontrolliert, sodass das gesuchte Buch schnell gefunden wird. Des Weiteren wird die Sammlung der Ansichtskarten in hoher Auflösung digitalisiert, um sie bald online zugänglich zu machen. Viele Altbestände harren noch ihrer Bearbeitung, während neue Objekte schon in den Regalen warten. Die Zeit der Lockdowns haben viele Lübbener genutzt, um ihre Besitztümer zu sichten und dem Museum anzubieten. Dies ist nur ein kleiner Einblick in unsere gegenwärtigen Aufgaben. Wir sind mit der Gestaltung der Sommerausstellung „Hall of Fame“ beschäftigt, in ihr stellen wir internationale und regionale Musikgeschichte(n) aus. Zusätzlich planen wir die Neuaufstellung der Ausstellungsräume und stärken die Museumspädagogik, sodass auch in Zeiten der Pandemie Vermittlungsarbeit für Schulklassen möglich ist. Neben den Ansichtskarten steht die professionelle Digitalisierung eines Teils der Gemälde-Sammlung ins Haus. Die Schließzeit wird sinnvoll und nachhaltig genutzt. Alle Kolleginnen und Kollegen des Museums freuen sich jedoch sehr, bald wieder Besucherinnen und Besucher willkommen zu heißen.Mai 2021
[ 2 ] LÜBBENER KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER von Marianne Wenzel
Im Museum Schloss Lübben werden Künstlerinnen und Künstler gesammelt, die Motive aus Stadt und Region auf Papier und Leinwand bannen und / oder direkt „von hier“ stammen. Einige stellen wir hier vor.
Frieda Boehr (1877–1967)
Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, zeichnete Frieda Boehr viele Aquarelle, die Lübbener Ansichten und den Spreewald zeigen. Allein drei Zeichnungen der im 2. Weltkrieg abgebrannten Hospitalkirche befinden sich in unserer Sammlung. Vermutlich verkaufte sich das „vergangene Idyll“ recht gut. Gleiches gilt für den Marktplatz mit dem Alten Rathaus. Die Aquarelle entstanden vermutlich nach dem Krieg.Robert Wilhelm Keller (19./20. Jh.)
Von Robert Keller befinden sich Aquarelle und Pastellzeichnungen im Museum. Obwohl er ein in Lübben ansässiger Kunstzeichner war, erscheint er kaum in unserer Sammlung. Besonders qualitätvoll ist die Zeichnung, die seine Mutter darstellt. Gerne möchten wir mehr über sein Schaffen erfahren, melden Sie sich gerne bei uns!Kurt Lange (1881–1958)
Lange ist heute vor allem als Komponist bekannt, doch viele seiner Zeichnungen, die unsere Stadt und ihr Umland zeigen, werden im Museum Schloss Lübben aufbewahrt. Es sind weniger Motive, die sich zum Verkauf zu eignen scheinen, vielmehr erhält man Eindrücke einer kleinen Stadt, die eng mit den Jahreszeiten und der Landwirtschaft verbunden ist. Ein Selbstporträt in Öl deutet auf sein Selbstverständnis, er stellt sich mit einem Notenblatt dar.Walter Moras (1856–1925)
Über den Spreewald hinaus ist Walter Moras bekannt. Er zeigte seine Gemälde regelmäßig auf den „Großen Berliner Kunstausstellungen“ und führte den Spreewald als Motiv wohl in die Berliner Gesellschaft ein. Ab Januar 2025 zeigen wir eine Sonderausstellung zu seinem 100. Todestag. Klein- und großformatige Ölgemälde nehmen mit an beinahe menschenleere Orte – doch Brücken und Gebäude erinnern an die Menschen in der Nähe.Marie Moritz (1860–1925)
Marie Elisabeth Moritz war eine produktive Künstlerin. Ihr war – aufgrund ihres Geschlechts – der Zugang zu Kunsthochschulen verwehrt, doch sie bekam Privatunterricht. Sie zeichnete in Pastell und Öl, eine frühe Buntstiftzeichnung der Lübbener Hauptkirche befindet sich ebenfalls in der Sammlung des Museums. Einige ihrer Gemälde wurden auch als Postkarten verkauft.Gerhard Schmidt (20. Jh.)
Von „G. Schmidt“ wissen wir, dass er zu DDR-Zeiten beim Kreis Lübben angestellt war – und seine Aquarelle zum Verkauf angeboten hat. In unserer Sammlung befinden sich neben typischen Ansichten (Hospital- und Paul-Gerhardt-Kirche) auch spannende Winteransichten, etwa vom Schloss.Erich Steyer (1887–1982)
Steyer gehört zu den akademisch ausgebildeten Künstlern, die das Museum sammelt. Er verbrachte seine zweite Lebenshälfte in Lübben, er zeigt uns Lübben nach dem 2. Weltkrieg, die Enttrümmerung, aber auch blühende Obstbäume. Ein Briefwechsel zwischen ihm und seinem Sohn kam 2024 durch Nachfahren in unser Haus und wird nun nach und nach ausgewertet.Jamlitzer Künstlerkolonie
Ganz in der Nähe von Lübben liegt Jamlitz. Dort brachte Franz Lippisch, eng verbunden mit der Berliner Kunstakademie, ab 1902 und über mehrere Jahrzehnte seine Schülerinnen und Schüler zusammen. Neben Werken von ihm, befinden sich auch Gemälde von Bianca Commichau-Lippisch und Walter Kühne in unserer Sammlung.Das Museum sammelt auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die mit Lübben in Verbindung stehen. Einige von ihnen sind Sebastian Franzka, Ingrid und Hans-Richard Groschke und Sybille Grunert.
Unsere Dauerausstellung und besonders die Sonderausstellungen werden regelmäßig durch Leihgaben ergänzt.[ 3 ] Zur DAUERAUSSTELLUNG von Marianne Wenzel
Die Dauerausstellung des Museums Schloss Lübben wurde im Jahr 2001 im restaurierten Schloss Lübben eröffnet. Das Schloss, 1682 von Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg errichtet, ist selbst ein sehenswertes Zeugnis der Geschichte von Stadt und Niederlausitz.
Die Ausstellungsräume befinden sich in der 1. Etage des Schlosses. Im ersten Raum befindet sich eine Gemäldegalerie. Hier werden etwa im Quartalstakt die ausgestellten Gemälde ausgetauscht. Teils erweitern sie die laufende Sonderausstellung, teils sind es kleine, eigenständige Ausstellungen. Zuletzt zeigten wir Lübbener Ansichten und Niederlausitzer Porträts.
Der Rundgang in die Dauerausstellung beginnt in einem Themenraum zur Archäologie der Stadt. Er vermittelt den Eindruck, dass man sich selbst von Ausgrabungsschicht zu Ausgrabungsschicht tiefer in die Vergangenheit bewegt. Man sieht Archäologen bei Grabungen in der Innenstadt über die Schulter und begegnet den ersten Bewohnern der Niederlausitz. Von dort geht es in die überblicksartig erzählte Stadtgeschichte. Von der Besiedlung im Mittelalter spannt sie den Bogen zur friedlichen Revolution. Besuchen Sie das Museum unbedingt auch im Winter – regelmäßig vertiefen die Sonderausstellungen im Winterhalbjahr Aspekte der jüngsten Geschichte.
Das Schloss Lübben war kein Residenzschloss, sondern ein Verwaltungssitz. Aus dem Grund zeigt der nächste Raum eine Amtsstube. Dort kann man sich zur Verfassung der Niederlausitz informieren, aber auch Schreibmaschinen ausprobieren und prüfen, ob sich die alte Stadtkasse öffnen lässt.
Von der Verwaltung geht es in den Spreewald. Es schließt sich ein Raum an, der sich der Region widmet und Handwerk, Landwirtschaft und Tourismus unter die Lupe nimmt. Neugierige Besucher finden hier sogar eine Gurkendisko!
Einer unserer Lieblingsräume in der Dauerausstellung ist die Wunderkammer, dazu hier [Hyperlink] mehr. Gegenüber befindet sich ein Zeitzeugen-Raum, der sich noch im Aufbau befindet. Hier können die Medienstationen ausprobiert werden oder man legt eine Pause ein: am Klavier oder im Lesesessel. Denn wenn auch die Dauerausstellung nun „geschafft“ ist, geht es noch in den mittelalterlichen Turm, in den Wappensaal und in die 2. Etage, wo die Sonderausstellung wartet.
[ 4 ] DIE LÜBBENER WUNDERKAMMER von Marianne Wenzel
In der „Lübbener Wunderkammer“ stehen kleine Objekte für große Zusammenhänge – und in unserer Wunderkammer befinden sich ganz außerordentliche Objekte! Sie haben einen engen Bezug zu Lübben und der Niederlausitz und weisen auf längst vergangene Epochen, ferne Regionen und Vergessenes.
Hier zeigt das Museumsteam seine Lieblingsobjekte. Bei einigen erschließt sich die Bedeutung auf den ersten Blick, bei anderen muss man unbedingt auf den Objekttext schauen. Den Blick zieht gewiss die Gesteinssammlung der Gräfin Kielmannsegge auf sich, im Sonnenlicht funkeln die Mineralien und Steine, die von überall her stammen. Danach wandert der Blick von allein zu einem Schwert, das über 170 cm lang ist. Inventarisiert ist es als Richtschwert, denkbar ist jedoch auch, dass es sich um eine Nachbildung handelt – sehenswert ist es allemal.
Ein Lieblingsobjekt der wissenschaftlichen Mitarbeiterin ist der ausgestellte Führerschein. Er wurde 1927 für Martha Helms ausgestellt. 40 Jahre war sie alt, als sie ihn erhielt – eine Seltenheit für eine Frau in dieser Zeit. Er war mindestens 20 Jahre im Einsatz, denn er wurde noch ins Russische übersetzt. Tritt man näher, sieht man nicht nur das Passfoto mit Hut, sondern auch die kyrillischen Buchstaben, die handschriftlich den Führerschein ergänzen.
Auf etwa die gleiche Epoche in Lübben weist der Kleiderbügel aus Holz. Ein Aufdruck stellt die Verbindung zu dem Kaufhaus von Adolph Wilhelmy her. Einer seiner Söhne führte das Geschäft weiter, übergab es allerdings 1932 an einen anderen jüdischen Kaufmann. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste 1936 er das Geschäft aufgeben, er wurde unter den Nationalsozialisten verfolgt und entrechtet.
Von den fünf Kindern Adolph Wilhelmys und seiner Frau Clara wurden drei im Holocaust ermordet, ein Sohn verstarb bereits 1937 – nur der Sohn Willy überlebte.In einer Vitrine Richtung Norden befinden sich zwei Objekte, die auf Lübben als Militärstandort weisen. Eine kleine Statuette zeigt einen Lübbener Jäger, ein mit grünem Samt bespanntes Fotoalbum sammelt Fotografien von Soldaten, die um 1905 in Lübben kaserniert waren.
Welches Objekt finden Sie am spannendsten?
[ 5 ] KÜNSTLERIN INGRID GROSCHKE & IHRE VERBINDUNG ZU SPREEWALDSAGEN von Christoph Köllnick
Einleitung
Eine der bekanntesten Lübbener Künstlerinnen ist Ingrid Groschke. Eigentlich stammt sie gar nicht aus Lübben, aber durch ihren Mann Hans-Richard Groschke kam sie hierher und blieb hier, da es ihr in Lübben sehr gut gefiel.Ingrid Groschke liebte schon immer Märchen und Sagen, was man so gut wie in allen Geschichten von ihr nachlesen kann, denn sie haben fast immer etwas mit Sagen zu tun.
Eine Sache gefiel ihr an Märchen und Sagen nicht: Diese Geschichten endeten meist schlecht oder grausam. Sie denkt, dass Sagen und Märchen Kindern keine Angst machen sollen, sie sollen eher Interesse wecken und nicht abschrecken. Also wollte sie das in ihren Geschichten eher vermeiden. Daher ermahnt die Mittagsfrau z.B. nur noch und tötet nicht mehr, wenn ihre „Opfer“ nicht eine Stunde über den Flachsanbau erzählen können.Besonders liebt sie den Wassermann, daher kommt er auch in vielen ihrer Geschichten vor.
Wenn man an Sagen denkt, denkt man auch an sie, das verbindet sie meiner Meinung nach mit dem Spreewald.
Wer ist Ingrid Groschke?
Ingrid Groschke wurde 1945 in Finsterwalde geboren. Ihr ist das Talent des Malens und Geschichtenschreibens sozusagen in die Wiege gelegt worden, denn von Kindheit an malte sie gern.Vermutlich hat sie das von ihren Eltern und ihrem Opa, denn sie waren alle künstlerisch begabt. Der Vater war sehr musikalisch und konnte viele Instrumente spielen.
Ihre Mutter las ihr oft Märchen vor, weshalb sie heute noch spannende Geschichten wie Märchen oder Sagen sehr mag.
Ihr Opa soll sogar mit Heinrich Zille in einem Malsaal gearbeitet haben.
Da ihr Wunsch, Kinderbücher zu illustrieren blieb, machte sie eine Malerausbildung, bei der sie dann Hans-Richard Groschke begegnete. Beide legten 1966 die Meisterprüfung ab. Sie heirateten später und bekamen Kinder.
Ingrid Groschke hatte kein Abitur, wollte aber trotzdem studieren. Daher besuchte sie eine Abendschule in Cottbus. Daraufhin war sie befugt den Mal- & Zeichenzirkel in Lübben zu leiten, das machte sie 20 Jahre lang.
Außerdem arbeitete sie in Cottbus in der Bezirksarbeitsgemeinschaft mit, in der sie viele Anregungen mitbekam. Daraufhin folgten viele Ausstellungen im In- und Ausland.
Es sind immer noch viele Werke von ihr in Lübben zu finden.
Da sie malen immer besonders gerne mochte, begann sie Kalender zu illustrieren. Die Kalenderbilder vom Spreewälder Sagenkalender stellte sie 1995 im Wendischen Museum Cottbus aus.
Aber sie war noch nicht fertig mit ihrer Ausbildung, sie schloss 1997 in Hamburg ein Fernstudium in Belletristik ab. 2001 beendete sie an der Schule für Karikatur und Comic ihr Studium und 2004 ihr Studium für Kinder- und Jugendliteratur. Nun war es ihr möglich ihre Geschichten im Domowina-Verlag zu veröffentlichen, was sie bis heute macht.
Was sind Sagen und warum gehören Sie ins Museum?
Das Wort Sage kommt vom althochdeutschen Wort Saga (= gesagtes). Es sind Geschichten, die mündlich weitergegeben wurden. Meist spielten Naturereignisse eine Rolle, deren Erscheinung man sich nicht erklären konnte. So erfand man diese Geschichten, die zum Teil wahre Dinge beinhalten, aber zum großen Teil aus der Phantasie der Menschen bestehen.Auch wenn man heute Naturereignisse wissenschaftlich erklären kann, findet man bei den Sagen zwischen den Zeilen doch einen tieferen Sinn.
Sagen verraten viel über die Zeit, in der sie entstanden sind und verraten den Mitarbeiter*innen des Museums:
. wie haben die Menschen früher gedacht
. wie haben sich Menschen Naturereignisse früher erklärt
. woher kommt ihr Ursprung
. tieferer Sinn
. Sagen an Ort gebunden
. Wissensvermittlung
Der Unterschied zwischen Sagen und Märchen ist der, dass Märchen überall ähnlich erzählt werden, Sagen werden aber nur regional erzählt, d.h. sie sind an einen Ort gebunden, ein Beispiel ist die Sage über den Teufel und seine Ochsen. In der es darum geht, dass sich die Ochsen des Teufels beim Pflügen losrissen, weil er unbedingt seine Arbeit erledigt haben wollte, aber die Ochsen nicht mehr wollten und sich stur stellten. Der Teufel wurde wütend und die Ochsen erschraken so sehr, dass sie in alle Richtungen davonrannten. Überall blieben tiefe Furchen zurück, darin sammelte sich langsam das Wasser. Diese Landschaft mit den vielen kleinen und großen Wasserarmen nennt man heute den Spreewald.
Diese Sage kann man nur im Spreewald erzählen, denn auf einen anderen Ort würden sie wohl kaum zutreffen.
Eine andere interessante Sache für die Museen ist, dass in den Sagen meist ein wahrer Kern vorhanden ist. Wie z.B. die Geschichte von der Mittagsfrau, bei der die Menschen (meist Frauen), wenn sie mittags beim Arbeiten erwischt wurden, eine Stunde über den Flachsanbau reden mussten. Daher kann man darauf schließen, dass es im Spreewald früher viel Flachsanbau gab.
Die Mittagsfrau
Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht, und die Hitze am größten ist, sollte keiner mehr auf dem Feld arbeiten, sonst erscheint im weißen Gewand eine große hagere Gestalt mit der Sichel in der Hand, die Mittagsfrau. Meist sind es Frauen, die noch auf dem Feld sind, dann droht die Mittagsfrau mit ihrer Sichel sie zu töten, wenn sie nicht eine Stunde lang über die Flachsernte und ihre Verarbeitung reden können. Das gelang nicht jeder Frau und dann musste sie mit dem Leben bezahlen.Heutzutage spielt der Flachsanbau keine so große Rolle mehr. Laut Ingrid Groschkes Geschichten ist die Mittagsfrau nicht mehr so streng, sie ermahnt nur.
Der Wassermann, Herrscher des Wasserreichs
Der Wassermann, auch als Nix bekannt, ist der Herrscher des Wasserreichs und zeigt uns immer wieder, dass das Wasser für Menschen, Tiere und Pflanzen lebensnotwendig ist. Man kann auf dem Wasser Lasten transportieren und dort leben viele Fische, die als Nahrung dienen. Das Wasser kann aber auch als Bad zugutekommen oder als Lebensraum für verschiedene Tiere da sein. Es ist für das Leben unentbehrlich. Da der Wassermann das Wasserreich beherrscht, entscheidet er dort über Gut und Böse. Ist der Wassermann zornig, zeigt er seine böse Seite. Er lässt das Wasser über die Ufer treten, wodurch die Ernte zerstört wird und die Existenz der Menschen bedroht ist.Merkt er, dass ein Mensch gut ist, dann hilft er ihm, wenn er Hilfe benötigt. Diejenigen, die böse sind, bestraft er durch Streiche und Gemeinheiten. Den Fischern ist er auch manchmal gut gesonnen. Er spült dann Fische in ihre Netze.
Erschien der Nix in früheren Zeiten als Dämon, und das geschah im Spreewald ziemlich oft, erging es den Menschen und Tieren schlecht. Er brachte Hochwasser mit sich; manchmal war mehrere Wochen das Land überschwemmt und vieles wurde zerstört. Im Winter kam dann die nächste Katastrophe mit viel Eis und Schnee. Wenn im Frühjahr alles auftaute, war die Überschwemmung noch stärker als vorher. Das geschah zum Beispiel in den Jahren 1926/27.
Der Wirbelwind
Gerade zur Heuernte ist der Wirbelwind nicht gern gesehen. So schnell wie er kommt, so schnell ist er wieder weg. Gerade zur Heuernte schauen die Bauern oft zum Himmel, ob sich möglicherweise der Wirbelwind zeigt, denn wenn das Heu ganz trocken war, wurde es auf Heuschobern zusammengetragen auf dem Schober aufgestapelt und festgetreten. Dazu gehörte viel Anstrengung und man war froh, wenn der Schober fertig war. So konnte das Heu bis zum Winter dort stehen, und wurde erst dann geholt, wenn es gebraucht wurde. Da war es besonders ärgerlich, wenn beim Aufbau des Schobers der Wirbelwind auftauchte und alles auseinander blies. Dann war die Arbeit umsonst und man musste von vorne anfangen.Der wilde Jäger
Ist der wilde Jäger des Nachts unterwegs, kommt plötzlich starker Sturm auf und die Bäume biegen sich. Hunde begleiten ihn und versetzen die Menschen in Angst und Schrecken. Der Wilde Jäger findet zur Strafe für begangene böse Taten in der Nacht keine Ruhe. Besonders im Herbst und im Frühling ist er mit einer Horde wüster Gestalten unterwegs und sie jagen, begleitet von lautem Gewehrfeuer, das Wild vor sich her. So schnell wie sie kamen, waren sie auch wieder weg.Christoph Köllnick, Schülerpraktikant im Dezember 2022
[ 6 ] AUFGABEN EINES MUSEUMS von Christoph Köllnick
Ich bin in der 9. Klasse am Paul-Gerhardt-Gymnasium Lübben und mache mein Praktikum im Museum Schloss Lübben. Ich interessiere mich schon lange für Dinge aus der Vergangenheit, weshalb ich als Kind auch sehr oft und gerne in Museen war. Besonderes Interesse habe ich an naturwissenschaftlichen Themen, wie hier im Beitrag zu sehen ist.
Einleitung
Dieser Beitrag dreht sich um Plakate, die nach 1945 und vor 1989/90 entstanden sind und verbreitet wurden. Besonders interessant waren für mich die Tier- und Pflanzenplakate, weshalb ich hauptsächlich über sie schreibe. Zwar haben diese Plakate an sich nicht viel mit Lübben zu tun, aber für mich waren sie trotzdem sehr interessant, daher die Auswahl.Sammeln
Die Plakate in diesem Beitrag sind nach 1945 entstanden. Sie wurden zum Teil 2003 an das Museum geschenkt, aber auch teilweise 1999 angekauft und werden seitdem hier aufbewahrt. Da zu dieser Zeit das Museum neu aufgebaut wurde, wurden so gut wie alle angebotenen Objekte angenommen, was zur Folge hat, dass viele Plakate nichts mit Lübben zu tun haben.Bewahren
Wie werden die Papierplakate aufbewahrt? Warum?Alle Papierplakate in diesem Museum werden in Depoträumen aufbewahrt. Das wird so gehandhabt, da sonst die Gefahr besteht, dass die Plakate durch zu hohe Luftfeuchtigkeit oder zu niedrige/ hohe oder schwankende Temperaturen Schaden erleiden oder kaputtgehen. Durch stabile Bedingungen, von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist Papier geradezu ewig haltbar. Die größte Gefahr für die Plakate in den Depoträumen sind Schädlinge, wie zum Beispiel Papierfischchen. Um einen Befall frühzeitig zu erkennen, werden Insektenfallen aufgestellt, die jede Woche gewechselt werden.
Forschen
Was an diesen Plakaten kann interessant für Forscher und Laien sein?Alte Schriftstücke und Plakate werden immer seltener und daher steigt auch ihr Wert. Durch diese Seltenheit wird es für Forschende immer schwieriger das Vergangene zu untersuchen. Zwar sind diese Plakate nicht von berühmten Personen, aber sie stellen als Beispiel den Wissensstand zu dieser Zeit dar, welche Veranstaltungen stattfanden und wie die Menschen damals gedacht und gelebt haben.
Vermitteln
Wie kann man das Interessante an diesen Plakaten bekannt machen?Um Plakate bekannt zu machen, können sich Besucher diese Plakate in Sonder- und Dauerausstellungen anschauen. Sie könnten in Vorträgen erwähnt werden oder es könnten sich ganze Vorträge nur um eins oder mehrere dieser Plakate drehen. Genauso wäre es möglich Führungen zu machen und Textbeiträge über die Plakate zu schreiben, um bei den Menschen Interesse für sie zu wecken.
[ 7 ] PROVENIENFORSCHUNG IM MUSEUM SCHLOSS LÜBBEN von Marianne Wenzel
Die Provenienzforschung befasst sich mit der Herkunft von Objekten. Sie ist einerseits wichtig für die Institutions- und Sammlungsgeschichte eines Museums, aber auch um Stücke zu erkennen, die unrechtmäßig in das Haus gekommen sind. In deutschen Museen wird daher ein Augenmerk vor allem auf Objekte gelegt, die zwischen 1933 und 1945 jüdischen Besitzern entzogen worden sein könnten.
Im Museum wurde im Jahr 2016 ein „Erstcheck“ durchgeführt, d.h. die musealen Sammlungen wurden darauf geprüft, ob Objekte vorhanden sind, die womöglich NS-verfolgungsbedingt entzogen worden sind. Gefördert wurde die Überprüfung vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste [Hyperlink].
Die erste Gründung des Lübbener Museums befand sich in Lübben am Markt und ist im April 1945 niedergebrannt. Die erhaltenen Inventarbücher und das vom Brandenburgischen Museumsverband durchgeführte Projekt Verlustsache Märkische Sammlungen [Hyperlink] deuten darauf, dass zu jener Zeit keine Objekte in das Lübbener Museum kamen, die aus jüdischem Besitz stammen. Ab 1997/98 wurde die Sammlung des 2001 eröffneten Museums neu aufgebaut, sodass mit diesem Datum beginnend alle Eingänge untersucht worden sind.
Findet ein Museum Objekte aus vormals jüdischem Besitz, ist es dazu angehalten mit den Erben eine „gerechte und faire“ Lösung zu finden. Üblich ist es, dass das Objekt den Erben zurückerstattet wird, häufig kauft oder leiht aber auch das Museum das Objekt direkt zurück.
Provenienzforschung untersucht auch Objekte mit anderen Herkünften. Neben den Enteignungen während der NS-Zeit – die neben jüdischen Personen auch Sinti und Roma, Homosexuelle, politische Verfolgte, Ausreisende allgemein u.a. getroffen haben kann – sind ein zweites wichtiges Untersuchungsfeld koloniale Sammlungen. Insbesondere in Museen mit ethnologischen, also völkerkundlichen Sammlungen, prüfen Mitarbeiter verstärkt, wie die Sammlungen in ihr Haus gekommen sind.
Das ist ein Untersuchungsfeld für sehr viele Museen, vor allem in Europa, dessen Kolonien die restliche Welt umfassten. Insbesondere im 18., 19. und auch noch im 20. Jahrhundert wurden Kunstgegenstände, religiöse Artefakte und auch menschliche Überreste aus den Kolonien nach Europa verbracht. Die Objekte, die in Europa aufbewahrt werden, werden häufig in den Herkunftsregionen schmerzlich vermisst. Besonders betroffen sind ehemalige Kolonien in Afrika und Asien, doch auch in Südamerika. Wer in Berlin die Büste der Nofretete oder den Pergamonaltar betrachtet, sollte bedenken, dass diese Stücke in Ägypten und der Türkei vermisst werden.Ein wiederum vorrangig deutsches Thema sind die Objekte in Museen und Privathand, die in der SBZ oder der DDR enteignet worden sind. Sie finden sich teilweise in den musealen Einrichtungen der ehemaligen DDR wieder, sie sind aber auch über die Kunst- und Antiquitäten GmbH (KuA) der DDR zur Devisenbeschaffung in westdeutschen Auktionen angeboten worden, sodass sie grundsätzlich weltweit verstreut sein können. Über die KuA sind jedoch auch Exponate verkauft worden, die vorher den Museen der DDR gehört haben.
Gesetzliche Grundlagen für Rückgaben gibt es nicht –, allein die Erben von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Gütern können sich auf das Washingtoner Abkommen von 1998 berufen, dass die Bundesrepublik mit der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom 9. Dezember 1999 würdigte. Gibt es keine überlebenden Erben oder werden sie nicht gefunden, findet die Rechtewahrung durch die Jewish Claims Conference statt.
Staaten, die als Kolonie kulturelle und religiöse Artefakte oder sogar menschliche Überreste verloren haben, haben keinen rechtlichen Anspruch auf Rückgabe. Privatpersonen, die während der SBZ- und DDR-Zeit, Besitz verloren haben, haben nach Verjährungen nun auch keinen Anspruch auf Erstattung. Dennoch wird auch hier seitens vieler Museen versucht „gerechte und faire“ Lösungen zu finden.Die Sammlung des Museums Schloss Lübben wächst bis heute. Der Großteil der Objekte wird uns von den Vorbesitzern geschenkt und ist unverdächtig, was die Herkunft angeht. Zur Aufnahme gehört dennoch in aller Regel die Frage: Woher haben Sie es, woher stammen die Stücke? Wenn wir heute Kunstgegenstände ankaufen, prüfen wir, ob in der Datenbank Lost Art [Hyperlink] eine Suchmeldung für das Kunstwerk eingetragen ist. Hier finden sich Verluste aus der NS-Zeit, vorrangig von Nachfahren, denen Güter entzogen worden sind, aber auch von Museen, die Kriegsverluste durch Zerstörung und Auslagerung erlitten haben.
Provenienzforschung ist eine Aufgabe, die die Museen sowie Archive und Bibliotheken dauerhaft beschäftigt und auch vom Lübbener Museum stets bedacht wird.
[ 8 ] ZUKUNFTSTAG AM 25. APRIL 2024 IM MUSEUM von Eddie Sternberger
Eddie Sternberger besucht die 8. Klasse des Paul-Gerhardt-Gymnasiums Lübben. Den Zukunftstag hat er im Museum verbracht, das er durch Veranstaltungen und die Museums-AG schon gut kennt. Er hat an einer Zeitzeug*innen-Runde teilgenommen, Lieblingsobjekte auserkoren und den Museumsalltag kennengelernt.
Seine Lieblingsobjekte sind ein Dolch aus Feuerstein, verschiedene Exponate aus der Gesteinssammlung der Gräfin Kielmannsegge und ein Buch über Heilpflanzen. Seine Gedanken und Skizzen finden Sie hier.[ 9 ] AUSWERTUNG DER FRAGEBOGEN ZUR AUSSTELLUNG "STASI IN LÜBBEN" von Celina Lehmann
Im Zuge der Sonderausstellung „Stasi in Lübben – Zum Wirken der Kreisdienststelle des MfS Lübben in der Region“ erstellte die Museums-AG des Paul-Gerhardt-Gymnasiums eine anonyme und freiwillige Umfrage. In ihr wurde der Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Besucher und sein Privatleben erfragt wurde.
Die Umfrage beschäftigte sich mit dem individuellen Wissen über die Stasi und dem Einfluss dieser auf das Verhalten des Besuchers im DDR-Alltag. Sie erfragte den Wunsch nach Ausreise und in wie weit sich die Person mit der Stasi eingelassen hat. Insgesamt erhielt Museum 132 ausgefüllte Umfragebogen zurück.
Zu Beginn des Fragebogens gaben die Umfrageteilnehmer ihren Geburtsjahrgang an. Rund 70 % der Teilnehmer wurden zwischen 1950 und 1969 geboren, erlebten die DDR also als Erwachsene im Alter von 20 bis 40 Jahren. Dem Großteil der Befragten war zu DDR-Zeiten bewusst, dass es die Stasi gab und wussten um ihre Arbeit. Nur ein verschwindend kleiner Teil von 3 % wusste damals nicht von der Existenz des Geheimdienstes. Wichtig zu sagen, dass dieser Teil nach 1970 geboren wurden.
Bei der Frage, ob das Wissen um die Stasi und die Arbeit ihrer inoffiziellen Mitarbeiter Einfluss auf ihr Privatleben hatte, teilten sich die Antworten. Viele gaben an, dass sie das Wissen davon abgehalten hat, in der Öffentlichkeit ihre Meinung Kund zu geben, im Privaten fühlten sie sich aber sicher aufgehoben. Bei den meisten fing diese Trennung von Öffentlichkeit und Privatsphäre bereits im Kindesalter an.
Eine gewollte Taktik des MfS war die Einschüchterung der Bevölkerung aus dem Halbschatten. Es wurde manches gesagt, manches wurde nur angedeutet. Die Stasi konnte sich auf ihre Praktiken verlassen, teils haltlose Verdächtigungen und extreme Vorsicht und Unsicherheit waren Teil des Alltags und des Miteinanders in der DDR. Mehr als 70 % der Befragten gaben an, dass sie ihre Mitbürger als IMs verdächtigt haben. Über 50 % dieser Verdachtsfälle blieben ungeklärt, in 11 % der Fälle war der Verdacht falsch, 36 % hatten in ihrer Vermutung Recht. Wobei diese Aussagen in weiten Teilen persönlicher Wahrnehmungen entsprechen.
Eine weitere Frage des Bogens bezog sich auf den Wunsch, die DDR zu verlassen oder „Republikflucht“ zu begehen. Die Befragten konnten auf einer Skala von eins (nie) zu zehn (sehr oft) angeben, wie häufig sie mit diesem Gedanken gespielt haben. Außerdem bestand die Möglichkeit eine Erklärung dazu abzugeben. Im gleichen Zuge fragten die Mitglieder der Museums-AG, ob sie einen Ausreiseantrag gestellt haben.
Das Bedürfnis, die Heimat bzw. DDR zu verlassen, wurde oft mit eins (nie) bewertet. Viele begründeten das mit der Familie in der DDR und deren Sicherheit bzw. mögliche Folgen (Sanktionen, Strafen), die sie als Angehörige eines „Geflohenen“ erleben müssten. Allerdings wurde jede Zahl der Skala mindestens einmal angekreuzt. Insgesamt kommen wir bei 132 Umfragen auf einen Wert von 3,0. Wir interpretieren das als: Es gab teilweise einen Wunsch, die DDR zu verlassen, allerdings ist dieser bei vielen klein. 5 % der Befragten haben einen Ausreiseantrag gestellt, in 16 % der Fälle kamen Mauerfall und Wende dem Antrag zuvor. Der Großteil der Befragten (79 %) stellte keinen Ausreiseantrag.
Viele „Stasi-Akten“ wurden während der Wende-Zeit vernichtet - zerstört, zerrissen und geschwärzt. Bis heute arbeiten Archivare unter anderem daran, die zerrissenen Akten wiederherzustellen, um den Betroffenen Einsicht und Aufklärung zu geben. Die Umfrage erfragte zusätzlich, ob der Teilnehmende Einsicht in seine Akte genommen hat. Die Frage konnte bejaht und verneint werden. Außerdem konnte man ankreuzen „Nicht vorhanden / gefunden“ und „Plane ich noch“. Nach dieser Frage konnte in einem Freifeld beantwortet werden, welche Erkenntnisse die Betroffenen in ihrer Akte gefunden haben.
Bei diesen Fragen fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. Von 130 Kreuzen fielen 37 auf "Akteneinsicht genommen" und 49 auf "keine Akteneinsicht genommen". 28 Personen kreuzten „Nicht vorhanden/gefunden“ an und 16 wählten „Plane ich noch“. Die meisten Überraschungen kamen aufgrund der extremen Detailfülle in der Akte oder das über die tatsächliche Abweichungen von der in der DDR gewünschten Norm, zum Beispiel eine kirchliche Mitgliedschaft, nichts berichtet wurde. Viele erfuhren aus den Akten den IM, der sie bespitzelt hat. Manche ließen ihre Stasi-Akten auch bewusst zu und haben mit dem Thema für sich abgeschlossen.Die letzten Fragen des Fragebogens beziehen sich auf eine Mitarbeit im MfS. Die Fragen beziehen sich auf Anwerbungsversuche, eine mögliche Arbeit als IM und den Prozess zum IM. 25 % der Befragten gaben an, dass es Anwerbeversuche gab. Manche Versuche erfolgten über die Arbeitsstelle, andere bereits früher, während der Schulzeit oder bei Freizeitaktivitäten. Dennoch hat nur einer der 130 Umfrageteilnehmer, angegeben, dass er als IM tätig war. 129 weitere verneinen diese Frage und erklären es etwa mit einem Widerspruch zwischen der Arbeit als Spitzel und ihrem Moralverstehen.
Die abschließende Frage befasste sich mit Gewissensbissen. Eigentlich war das Ziel der Frage mögliche Gewissensbisse bei ehemaligen IM zu erfragen - doch auch andere Teilnehmer fühlten sich gemeint. Von 22 Antworten bejahten 2, verneinten 18 und beantworteten 2 mit „teilweise“ die Frage nach moralischem Unbehagen. Gewissensbisse deuten nicht auf eine Arbeit als Inoffiziellen Mitarbeiter hin, sondern können auch durch Anwerbungsversuche, Gedanken an „Republikflucht“ oder generell „systemfeindlichen“ Meinungen verursacht werden.
Zusammenfassend ist zu sagen; 132 Umfragebogen sind in der Zeit der Sonderausstellung an das Museum zurückgelangt. Die Antworten deuten darauf hin, dass das Ministerium für Staatssicherheit und seine Arbeit bekannt waren und das Privatleben der Menschen beeinflusst hat, bei einigen mehr, bei anderen weniger.
[ 10 ] EIN STOLPERSTEIN FÜR ROSALIE KASSEL von Marleen Krüger
Marleen Krüger, Abiturientin des Lübbener Paul-Gerhardt-Gymnasiums und im Sommer 2024 Praktikantin im Museum Schloss Lübben, begeistert sich sehr für geschichtliche Themen. Besonders die Schicksale der Lübbener Holocaust-Opfer stehen dabei im Fokus ihres Interesses.
Hier berichtet sie von einer Recherche, die Grundlage für die Verlegung eines Stolpersteins sein soll.Ein neuer Stolperstein für Lübben - das ist das Ziel, welches ich mir für die nächsten Monate zur Aufgabe gemacht habe. Nach umfassender Recherche stieß ich auf die Jüdin Rosalie Kassel, welche ab 1939 für einige Zeit bei ihrer Tante Frieda Moses in Lübben lebte. Um ihrer Person und ihrem Leben zu gedenken, um ihren Namen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, möchte ich ihr zu Ehren einen Stolperstein verlegen lassen.
Als Tochter der Elisabeth Hirsch kam Rosalie Kassel am 14. Dezember 1911 im oberschlesischen Königshütte, dem heutigen Chorzow in Polen, zur Welt. Ihr Vater, über welchen heute keine Informationen zu seinem Leben, außer seinem Nachnamen Kassel, erhalten sind, starb bereits früh nach Rosalies Geburt und ihre Mutter wurde somit Witwe. In Berlin besuchte Rosalie Kassel die Jüdische Oberschule. Zeitweise wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter in Lieberose. Bekannt ist allerdings, dass sie 1939 bei ihrer Tante Frieda Moses geb. Hirsch in der Kirchstraße 28 in Lübben lebte, welche zusammen mit ihrem Mann Julius Moses aktives Mitglied der Lübbener Synagogengemeinde war. Aus uns unbekannten Gründen zog Rosalie Kassel 1941 als Arbeiterin nach Berlin-Charlottenburg in die Goethestraße 8.
Naheliegend ist, dass sie daran glaubte, als Jüdin in Berlin anonymer und ruhiger zu leben oder dass sie zur Zwangsarbeit herangezogen wurde. Doch auch die Großstadt Berlin bot der 30-jährigen Rosalie Kassel keinen Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung und so wurde sie in Berlin inhaftiert und zur Sammelstelle Levetzowstraße für Transporte in den Osten verschleppt. Noch mit dem ersten Transport wurde sie von Berlin in das von Holzzäunen und Stacheldraht abgegrenzte Ghetto Litzmannstadt/Łódź deportiert, welches sie am 18. Oktober 1941 erreichte. Hier herrschten katastrophale Lebensbedingungen. Das Leben ohne Elektrizität, ausreichend Lebensmittel und fließendem Wasser, stattdessen in überfüllten Wohngebäuden führte schnell zu unzähligen Krankheits-und Todesfällen. Da im Interesse der Deutschen stand, die Juden zu vernichten, begannen bald darauf im Januar 1942 die Deportationen in das Vernichtungslager Kulmhof/Chełmno im Warthegau. Auch Rosalie Kassels letzter Weg führte nach Chełmno. Hier wurde die jüdische Bevölkerung in speziell dafür vorgesehenen Wagen mit Kohlenstoffmonoxid ermordet. Fast die Hälfte der Bewohner des Ghettos Litzmannstadt fand im Laufe des Jahres 1942 in Chełmno ihr grausames Ende. Die junge Frau Rosalie Kassel wurde vermutlich am 7. Mai 1942 im Vernichtungslager Chełmno ermordet. Ihre Mutter Elisabeth Hirsch wurde im selben Jahr nach einem Aufenthalt im Altersheim der jüdischen Synagogengemeinde Frankfurt (Oder) in das Warschauer Ghetto deportiert und ebenfalls ermordet. Ihre Tochter Sophie Alice Hirsch aus zweiter Ehe, eine Halbschwester Rosalies, konnte nach Palästina emigrieren.Durch die geplante Stolperstein-Verlegung erhoffe ich mir, dass Rosalie Kassels Leben und Schicksal von den Menschen der Stadt bewusst wahrgenommen wird. Die Nationalsozialisten haben Mitbürger entmenschlicht und zu unbedeutenden Nummern gemacht. Nun haben wir es in der Hand, den Menschen ihre Namen und individuellen Lebensgeschichten zurück zu geben. Rosalie Kassels Biografie ist keineswegs ein abgeschlossenes Projekt. Vielmehr soll sie zusätzlich ergänzt werden durch weitere Rechercheergebnisse unter anderem von den Arolsen Archives, dem Archiv Yad Vashem und gern auch durch Informationen von Einwohnern der Stadt Lübben.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist." ~ Talmud